Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  
Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 0 Antworten
und wurde 146 mal aufgerufen
 Starlight Express
Krupp Offline




Beiträge: 1.389

05.12.2003 23:38
"A Heart of Gold" (Teil2) Thread geschlossen

„Hmm was?“ sie drehte sich überrascht zu ihm um, „Oh, entschuldige. Ja natürlich.“
Schon war ihr Blick wieder entschwunden. Caboose folgte mit den Augen ihrem Blick, der schließlich bei Stardust endete.
„Achso...,“ dachte er bei sich.
Es war kaum zu übersehen, dass sie tiefe Gefühle für die stattliche Lok hegte. Man konnte es ihr allerdings auch schwer verübeln. Stardust war ein Prachtkerl, das Beste, das man finden konnte. Und das Beste war Caboose für Cassey gerade gut genug. Von Herzen würde er ihr dieses Glück gönnen, sie hätte es verdient. Auch wenn es ihn in seinem inneren schmerzte, aber ihr sehnsüchtig, verliebter Blick verriet, dass er niemals in diesem Leben gegen Stardust ankommen würde. Ihr Herz rief nach ihm und auch wenn die Eifersucht in ihm tobte, so war für Caboose dennoch klar: Er musste zu ihr stehen. Denn er liebte sie – wenn auch unerwidert – und sie glücklich zu sehen war für ihn der schönste Anblick.
In Gedanken kuppelte er sich hinter ihr an. Ein Ruck ging durch den ganzen Zug, als Stardust sich in Bewegung setzte. Brauchte Slike bei der Fahrt gestern ein paar Meter, bis er in voller Fahrt war, so schnellte diese Lok sofort in höchstem Tempo los. Caboose wurde ein wenig nervös. Ob er bei einem solchen Tempo richtig würde bremsen können? Die erste Kurve kam auf sie zu. Caboose musste schneller reagieren als am Tag zuvor, doch allen Zweifeln zum Trotz glückte die Bremsung auch dieses Mal. Das gab dem Bremswagen wieder den Mut zurück und die Fahrt verlief einwandfrei.
Während einer kleinen Rast nach einigen Stunden rasanten Fahrens, saß Caboose neben Cassey auf den Gleisen und schöpfte neue Kräfte für die Weiterfahrt.
„Er gefällt dir, nicht wahr?“ fragte er sie schließlich.
Cassey sah ihn überrascht an und lächelte.
“Ja... sehr,“ antwortet sie schwärmerisch.
Caboose lächelte zurück. Ihre Augen strahlten so wunderbar und ihr Lächeln war das pure Glück. Der beste Platz für sie war an Stardusts Seite und hätte Caboose in diesem Moment einen Wunsch frei gehabt, so hätte er ihr diesen Traum wahr werden lassen.
„Kann ich gut verstehen. In der Werkstatt hab ich einige Loks gesehen, aber Stardust ist bisher die Beeindruckenste.“
Sie nickte bestätigend.
“Ich glaube, es gibt keine, die nicht glücklich wäre, seine Partnerin zu sein.“
„Aber ich finde, du bist die Einzige, die ihn auch verdient hätte.“
Gerührt lächelnd sah sie Caboose an.
„Du bist immer nett zu allen und willst für alle das Beste... also hast du auch das Beste verdient.“
“Oh Kleiner, das ist ja so lieb,“ sie umarmte ihn und Caboose schloss sie fest in die Arme.
Eigentlich hätte solch eine Aussage für sie nichts neues sein dürfen. Jeder, der sie auch nur einen Tag kannte, sollte ihr das sagen können.
Der Pfiff des Schaffners erklang und gab das Signal für die Weiterfahrt. Caboose stand auf und reichte Cassey die Hand, um ihr nach oben zu helfen. Dieses Gespräch war ihm nicht einmal schwer gefallen. Er fühlte sich besser, wenn er nicht eifersüchtig war, sondern mit ihr zusammen ihr Glück teilte.
Nachdem auch die Rückfahrt ohne Zwischenfälle verlief, erreichten sie den Bahnhof zeitgleich mit dem Sonnenuntergang. Auf seinem Weg zum Abstellgleis blickte Caboose sich um zu Stardust. Doch der schien ihn nicht mal zu bemerken. Slike hatte ihn nach ihrer ersten gemeinsamen Fahrt zum Abschied gelobt... Caboose war ein wenig enttäuscht. Vielleicht war die Lok auch einfach etwas erschöpft nach dieser langen, harten Fahrt, die er absolut großartig gemeistert hatte. Wahrscheinlich war es sogar eher Caboose’s Aufgabe, ihn zu loben. Höflich wäre es zumindest. So drehte er sich noch einmal um und rollte auf Stardust zu.
„Das war eine perfekte Fahrt!“ meinte er mit freundlichem Lächeln.
Stardust wandte sich langsam zu ihm um und musterte ihn kritisch.
„Du musst der Neue sein,“ gab er betonungslos zurück, „Sonst weiß nämlich jeder hier, dass man MIR das nicht sagen muss, weil eine perfekt Fahrt mit mir selbstverständlich ist.“
Caboose zuckte unmerklich zusammen.
„Oh... oh tut mir leid,“ antwortete Caboose leise und fuhr wieder fort.
Warum hatte er sich denn gerade entschuldigt? Er hatte nichts weiter getan, als ihm ein Kompliment gemacht. Entschuldigte man sich denn für Komplimente? Als er wieder zu Stardust zurückblickte, stand er da, würdigte keinen auch nur eines Blickes und ließ sich den Staub der Fahrt vom Lack wischen. Sicherlich hatte er nur einen schlechten Tag. Anders konnte es gar nicht sein, denn wie sonst, könnte eine gute Seele wie Cassey jemanden wie Stardust lieben.
Auf dem Abstellgleis legte er sich sofort schlafen. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Und während Ali 1, 2 und 3 noch lautstark versuchten, bei den Personenwagen Eindruck zu schinden – erfolglos natürlich – schlief Caboose ein.

Kapitel III
Love is not a Victory March

Am nächsten Tag war Caboose kaum eine Stunde wach, als ihm Cassey entgegenkam. Sie sah wundervoll aus. Ihr langes Haar war elegant hochgesteckt und jedes kleine Stück Metall an ihr glänzte blitzblank. Freudestrahlend blieb sie vor ihm stehen.
“Caboose, wie sehe ich aus?“
Caboose betrachtete sie, als habe er eine leibhaftige Göttin vor sich.
„Wunderschön!“ urteilte er, „Ein 1.-Klasse-Waggon könnte nicht besser aussehen.“
“Danke, hast du lieb gesagt.“
„Willst du zu Stardust?“
Sie nickte lächelnd. Diese Lok hatte wirklich ein unheimliches Glück, dachte Caboose bei sich. Cassey war eine Schönheit und eine engelhafte Seele. Kein Chrom dieser Welt konnte das wettmachen.
„Na dann los. Viel Glück!“
“Danke,“ lächelte sie und fuhr los.
Caboose bliebt zurück. Gedankenverloren fuhr er auf den Gleisen des Bahnhofs umher. Er dachte darüber nach, was Cassey wohl tun würde, wenn er ihr von seinen Gefühlen erzählen würde. Aber er wusste, dass es an ihren Gefühlen kaum etwas ändern würde. Gegen Stardust konnte er nicht ankommen... Würde er ihr seine Gefühlswelt offen legen, würde das nur ihre wunderbare Freundschaft zerstören. Er würde es verschweigen. Ihr Herz war vergeben und eines Tages würde auch sein Herz das begreifen und sich für jemand neues öffnen.
Während er am Rande des Bahnhofs stand und in den Himmel starrte, überkam ihn der Wunsch, nach seiner geliebten Freundin zu sehen. Er wollte sehen, wenn ihr Traum wahr wurde; wollte dabei sein, um sie wieder so glücklich sehen zu können. Er sah dieses selige Lächeln so gerne. Doch er wollte sie auch nicht stören. Also rollte er unbemerkt in die Nähe von Stardust’s Depot, wo sich außer Cassey noch mehrere Personenwagen aufhielten. Von der Lok war nichts zu sehen. Er war wohl noch im Inneren des Depots. Einige der Personenwagen saßen beisammen. Sie schielten immer wieder zu Cassey, tuschelten und kicherten. Caboose war klar, dass sie sich über Cassey lustig machten. Diese arroganten Hühner glaubten einfach, mit ihrem ganzen Chrom wären sie etwas Besseres. Caboose wäre so gerne zu ihnen gefahren und hätte sie zurecht gewiesen, aber die hätten ihn nur ausgelacht und Cassey hätte das auch nicht geholfen.
Schließlich tauchte der Bahnhofstar im Tor seines Depots auf und sofort stürzten sich sämtliche Personenwagen schmachtend auf ihn. Wie Motten eine Glühbirne, so umflatterten sie ihn hektisch und versuchten liebestoll seine Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Mit einem gewissen Stolz stellte Caboose fest, dass seine Cassey ganz anders war. Sie blieb ganz natürlich und wartete ruhig bis er ihren Weg kreuzte. Caboose hörte sie ihn freundlich begrüßen, wie es immer ihre Art war. Stardust wollte sie erst übersehen, doch dann blickte er überrascht noch einmal zu ihr zurück.
„Ich glaube ich sehe nicht recht! Was machst du denn hier?“
Cassey sah ihn verständnislos an.
„Hast wohl vergessen wo dein Platz ist, Gepäckwagen. Schaff dich besser wieder auf das Abstellgleis zu den anderen verstaubten Frachtgondeln.“
Wie vom Donner gerührt stand sie da und starrte ihn verzweifelt an. Doch Stardust schenkte dem keine Beachtung. Seine Mine blieb kalt und er musterte sie streng. Doch mit einem Mal begann er lauthals zu lachen.
„Ach so ist das! Verstehe!“ mit einem abschätzigen Blick stand er vor ihr und sah zu ihr herab, „Hör zu, wenn du glaubst, dass ich auch nur im Entferntesten jemals daran denken würde, mich mit dir auch nur in der Öffentlichkeit als meine Partnerin zu zeigen, dann bist du aber tief in die Sackgasse gefahren. Du hast nicht annähernd mein Niveau und meinen Stil. Sie dich mal im Spiegel an und dann komm von deinem Höhenflug wieder runter! Und jetzt schaffst du dein drittklassiges Fahrgestell besser wieder zu den anderen Schlusslichtern!“
Mit diesen Worten ließ er sie stehen; so niedergeschmettert und enttäuscht wie sie war. Caboose hatte die Fäuste geballt. Wie konnte es dieser Schnösel nur wagen, so mit seine Cassey zu sprechen?! Die Personenwägen, die diese Szene mitverfolgt hatten lachten sie schadenfroh aus. Cassey schlug die Hände vors Gesicht und stürmte davon. Wie konnte man nur so gemein sein, dachte Caboose und der Zorn stieg immer mehr in ihm an. Sie hatte ihm doch nie etwas getan, sie hatte nie jemandem etwas getan! Alles was sie getan hatte, war zu lieben. Doch ihre Hoffnungen und Träume hatte derjenige zerstört, der sie damit am meisten verletzte. Doch Stardust verstand das nicht und würde es auch nicht verstehen, selbst wenn es ihm jemand erklärte. Er sah nur sich und seinen Erfolg. Hätte er wirklich Liebe empfinden können, wäre ihm ihr Frachtzug-Äußeres egal gewesen. Denn Liebe macht blind für Oberflächlichkeiten. Mit einem letzten hasserfüllten Blick auf den herzensbrechenden Egomanen wandte sich Caboose ab. Ein Wunder, dass Stardust und sein Ego auf einem Bahnhof genug Platz für jeden von sich fanden. Besorgt folgte er Cassey. Sie war jetzt wichtiger, als die Wut auf die Silberbestie.

Kapitel IV
All you get is pain

Caboose erreichte das Abstellgleis. Offensichtlich war Cassey schon dort gewesen, denn die Stimmung unter den Frachtwaggons war mehr als bedrückt. Wheeler saß mit Peggy am Gleisrand und hielt den Postwagen tröstend im Arm. Stonehenge und Collins ließen ebenfalls betroffen die Köpfe hängen und nicht einmal die Alis hatten einen ihrer üblichen vorlauten Sprüche auf den Lippen. Doch von dem Gepäckwagen war nirgends etwas zu sehen.
„Habt ihr Cassey gesehen?“
Ali 3 hob schwermütig den Kopf und sah Caboose mit Hundblick an.
„Ey CB Alder, dat Bunny hat voll krasse Kummer. Hat sisch zuruckgezogen. Guckst du!“ mit diesen Worten wies er mit dem Kopf nach rechts.
Caboose folgte der angegebenen Richtung und nach einem kleinen Stück fand er sie zusammengekauert auf einem alten überwucherten Gleis, das schon lange nicht mehr befahren wurde. So wie es ihn immer wieder freute, ihr glückliches Lächeln zu sehen, so bracht es ihm nun das Herz ihr verzweifeltes Weinen zu hören. Stardust wusste nicht annähernd, was er angerichtet hatte. Solchen Kummer hatte Cassey nicht verdient. Immer war sie so gut zu allen und wenn sie sich etwas Glück erhoffte, war alles, was sie bekam, Schmerzen. Er rollte mitfühlend zu ihr heran.
„Cassey...,“
„Nein...,“ flüsterte sie abwehrend und unter Tränen.
Der junge Bremswagen rollte wieder näher und legte ihr die Hand tröstend auf die Schulter. Doch sie wandte sich ab.
„Nein Caboose, lass mich allein.“
So hatte er sie wirklich noch nie gesehen. Dem Unterton ihrer Stimme entnahm er, dass sie kurz davor gewesen war, ihn anzuschreien, so verletzt war sie. Caboose fuhr wieder ein Stück zurück und betrachtete sie schweren Herzens. Es tat weh, sie so zu sehen und nichts dagegen tun zu können.
„Geh bitte...“
Er wandte sich ab, blickte aber noch einmal zu ihr zurück.
„Geh...,“ wiederholte sie, ohne ihn die ganze Zeit über auch nur einmal angesehen zu haben.
Caboose fuhr zum Abstellgleis zurück. Stonehenge empfing ihn mit einer Umarmung.
„Mach dir keine Vorwürfe, CB. Es war nett, dass du sie trösten wolltest, aber sie möchte einfach nun etwas Zeit für sich haben. Die braucht sie jetzt.“
Caboose nickte. Mit unschuldig, fragendem Blick sah er zu dem Steinwagen auf.
„Warum hat Stardust ihr das angetan? Wie kann jemand, der so beliebt ist, so verletzend sein?“
„Das liegt gerade an dieser Beliebtheit,“ erklärte Stonehenge, „Der Erfolg ist Stardust einfach sofort zu Kopf gestiegen. Ruhm ist Gift für den Charakter.“
Stonhenge’s Worte waren bedeutungs- und wahrheitsschwanger. Sie würden ihm ewig im Gedächtnis bleiben. Niemals wollte er berühmt oder erfolgreich werden und so womöglich jemandem weh tun, dem er viel bedeutete.

Kapitel V
„Point of no return“

Seither herrschte auf dem Abstellgleis weiterhin eine bedrückte Atmosphäre. Jeder fürchtete, Cassey auf irgendeine Weise verletzen zu können. Stardust wurde mit keinem einzigen Wort erwähnt. Wheeler und Peggy zügelten in ihrer Gegenwart ihre verliebten Zärtlichkeiten. Doch obwohl jeder sich darum bemühte, so wurde Cassey’s Gemütszustand dennoch nicht besser. Immer noch war sie deprimiert und zog sich nach jeder Fahrt sofort in die Einsamkeit zurück. Keiner kam mehr an sie heran. Alle hatten sie immer gern gehabt und so ging Cassey’s Traurigkeit auch auf alle anderen des Frachtzugs über. Dies spürte auch Cassey selbst und das schlechte Gewissen deswegen ließ sie noch mehr in dem Sumpf aus Traurigkeit versinken.
Eines Nachmittags war für Slike wieder einmal eine Fahrt fällig. Cassey und einige der Personenwagen wurden als Begleitwagons angekuppelt. Schon vor Beginn der Fahrt amüsierten sich die Personenwagen erneut auf Cassey’s Kosten, kicherten und belächelten sie schadenfroh, bis Slike sich mit ermahnendem Blick umdrehte. Hätte Caboose diese Szene mitangesehen, wäre sicher sein Zorn mit ihm durchgegangen. Doch er befand sich zu dieser Zeit auf einer Fahrt mit Wheeler und erfuhr so nichts von Cassey’s Demütigung und wie sie damit auf den Höhepunkt ihrer Verzweiflung getrieben wurde. Die ganze Fahrt über spukten die Ereignisse der letzten Tage in ihren Gedanken herum. Stardust’s Worte und sein höhnisches Lachen hallten in ihrem Kopf wider. Sie sah die spöttischen Gesichter der Personenwagen und fühlte den Schmerz, der immer stärker wurde und ihr Herz zu zerreißen drohte. Und als wäre ihr eigener Kummer nicht schon schlimm genug, nein, sie zog auch noch ihre Freunde mit in diese Trauer. So konnte das einfach nicht weitergehen. Das war kein Leben mehr. Sie wusste einfach keinen anderen Ausweg mehr. Eine scharfe Kurve näherte sich unaufhaltsam. Langsam lockerte sich ihr Griff um die Kupplungsstelle ihres Vorwagens...

~*~

Die Verfassung, in der Caboose und Wheeler die anderen Frachtwägen vorfanden, als sie von ihrer Fahrt zum Abstellgleis zurückkehrten, war noch schlimmer als zuvor. Die Alis standen zur Abfahrt bereit, obwohl für heute gar keine Aufträge für die Box-Wägen geplant waren. Ihre Knie zitterten. Peggy saß in Collins’ Schulter vergraben auf dem Gleis und weinte bittere Tränen. Auch Stonehenge blickte ihnen mit glasigen, feuchten Augen entgegen.
„Ich möchte dir das gar nicht zumuten Caboose, aber ich fürchte, sie du wirst die Alis auf ihrer Fahrt begleiten müssen... es...,“ weiter kam er nicht.
Der Steinwaggon biss sich auf die zitternde Unterlippe und wandte den Kopf ab. Caboose sah verwirrt und verängstigt von einem tränennassen Gesicht zum anderen.
„Was ist denn nur passiert? Wohin soll ich sie begleiten?“
„Es gab einen Unfall,“ erklang Collins’ dunkle Stimme, „Cassey, sie...,“
Caboose riss die Augen panisch auf.
„Sie ist doch nicht etwa...?!“
Peggy brach erneut in Tränen aus und das bestätigte Caboose’s dunkle Vermutung. Erschüttert verharrte er auf der Stelle. Es schien ihm so unwirklich. Noch bevor er losgefahren war, hatte er sie doch noch gesehen. Und jetzt sollte sie für immer fort sein.
„Wie ist es passiert?“ fragte er mit bebender Stimme, obwohl er sich gar nicht sicher war, dass er es wirklich hören wollte.
Doch er musste es wissen. Er musste wissen, was geschehen war.
„Sie hat sich in einer Kurve einfach abgekuppelt... und ist von den Gleisen gestürzt.“
Nun schossen auch Caboose die Tränen in die Augen. Wieso hatte sie das getan? Wie verzweifelt musste sie gewesen sein, so zu handeln? Caboose wusste nicht, wie ihm geschah. Ehe er sich’s versah, wurde er an Ali 3 angekuppelt und trat am ganzen Körper zitternd, die wohl schwerste Fahrt seines Lebens an. Mit jedem Meter wurde seine Angst auf das, was ihm bevorstand größer und die Fahrt schien quälend ewig zu dauern. Doch als sie schließlich ankamen, hätte er diesen schicksalhaften Ort am liebsten niemals erreicht. Es war der grausigste Anblick, den man sich vorstellen konnte. Caboose hätte es niemandem gewünscht, an seiner Stelle zu sein. Ein kurzer Blick genügte ihm und er wusste, dass er mehr nicht sehen wollte. Cassey’s Körper war vollkommen von dem harten Fall von den Gleisen zerschmettert und entstellt. Die Arbeiter sammelten die in ihren Augen nicht mehr als die verschrotteten Einzelteile eines namenlosen Waggons ein, doch in Caboose’s Augen waren es Bruchstücke seiner zerbrochenen Träume. Regungs- und wortlos stand er an seinem Platz und zwang sich, in die andere Richtung zu sehen. In ihm kämpfte das Verlangen einen Blick auf dieses Desaster zu werfen gegen seine Vernunft an, die wusste, dass er den Anblick nicht verkraften würde. So richtete Caboose seine Aufmerksamkeit auf seine Umgebung. Etwas entfernt stand Slike auf den Gleisen. Er sah aus wie das rollende Elend. Kreidebleich, sein Blick starrte unter Schock ins Leere. Es war offensichtlich, dass nichts und niemand ihn heute dazu bringen würde, auch nur noch einen Kilometer seiner Fahrt fortzusetzen. Er tat Caboose so leid. Slike war ein aufrichtiger Charakter. Ein solcher Schock war auch für eine starke Lok wie ihn nicht so einfach hinzunehmen.
Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen. Caboose beobachtete die warmen rotgelben Farbmischungen am Himmel, an dem die ersten Sterne erwachten. Die Geräusche um ihn herum verstummten, die Arbeiter stiegen verrichteter Dinge wieder in die Züge. So schwer war es ihm noch gefallen, die Heimkehr anzutreten. Er hatte sie verloren... und nie hatte er ihr sagen können, was er für sie gefühlt hatte; was er immer noch für sie fühlte. Sie hatte diese Welt in so großer Trauer verlassen. Wo immer sie auch nun sein würde, Caboose hoffte, dass ihr Leiden dort jetzt ein Ende gefunden hatte.
„Leb wohl...,“ flüsterte er, als glaubte er daran, dass sie ihn hören würde.

Kapitel VI
„Die Ruhe vor dem Sturm“

Nie zuvor hatte der Bahnhof so leer gewirkt, wie an diesem darauffolgenden Tag. Der Schlaf war wenig erholsam gewesen. Nach endlosen Stunden hatte Caboose sich schließlich in den Schlaf geweint, doch die ganze Nacht war er von Alpträumen geplagt. Er sah Cassey’s zerbrochenen Körper auf den Gleisen liegen, sah ihr glückliches Lächeln, dass er so geliebt hatte, für immer verschwinden. Die schlimmsten Selbstvorwürfe kamen in ihm auf, wenn er darüber nachdachte, wie er es vielleicht hätte verhindern können. Er hätte doch für sie da sein müssen, er war ihr Freund, er hätte es verhindern müssen, dass sie diesen endgültigen Schritt tat. Doch all diese Gedanken waren überholt, denn es war nicht mehr rückgängig zu machen. Sie war tot. Niemals würde er sie wiedersehen. Sie existierte nur noch in seiner Erinnerung. Und dort würde sie weiterleben, für immer.

Was Cassey für ein wichtiges Mitglied der Zuggemeinde gewesen war, war an der allgemeinen Trauer unter ihren Freunden mehr als spürbar. Die Blicke, die man untereinander stumm austauscht, sprachen Bände. Jeder vermisste den lebensfrohe, gutherzigen Gepäckwaggon schmerzlichst. Doch einen ließ die Trauer vollkommen kalt. Caboose saß auf einem Gleis und spielte mit den Fingern gedankenverloren in den Kiessteinen zwischen den Schienen, als ein großer Schatten sich über ihn legte. Langsam blickte der Bremswaggon auf und erkannte Stardust über ihm.
„Hey Bremsklotz, was ist in diesem Laden eigentlich seit Neuestem los? Hier herrscht eine Stimmung, die ist auf dem Tiefstpunkt.“
Caboose glaubte nicht recht zu hören. Der Kerl wusste nicht einmal was mit Cassey geschehen war. Wahrscheinlich interessierte es ihn auch nicht mal. Jedem hätte es zustoßen können und Stardust hätte sich nicht darum gekümmert. Wenn sich etwas nicht um ihn drehte, war es uninteressant.
„Cassey ist tot,“ antwortete Caboose bedrückt.
Stardust zog ein nachdenkliches Gesicht. Caboose wusste, dass diese dämliche Lok nicht mal wusste, wer Cassey gewesen war.
„Der Gepäckwaggon.“
„Achso... die,“ gab Stardust unbeeindruckt zurück, „Und weswegen hängt ihr euch da so rein? Ich dachte schon, es wäre was wirklich Schlimmes passiert.“
Caboose’s Wut kochte. Wie konnte gerade ER so ahnteilnahmslos sein. Er war doch Schuld an all dem! Caboose sprang auf und richtete sich wütend vor der Lok auf.
„Es IST etwas sehr Schlimmes passiert! Eine wunderbare Freundin ist gestorben! Und im Gegensatz zu euch, euer Hochwohlgeboren, hatte sie Freunde, die sie um ihrer Selbst willen geliebt haben und die um sie trauern. Um dich würde man nur trauern, weil du soviel Geld gekostet hast! Und gerade DU solltest dir ihren Tod etwas mehr zu Herzen nehmen! Denn weißt du warum sie tot ist? Willst du’s wissen hm?!“
Stardust blickte ihn verachtend an, „Wenn ich ehrlich sein soll, interessiert es mich nicht einen Funken, warum diese Frachtziege verreckt ist!“
„Da hast du aber ein Problem, denn ich werde es dir sagen: Wegen dir, du verdammter Blechkopf! Du hast ihr das Herz gebrochen! Du hast sie behandelt wie ein Stück Abfall und ihr all ihre Hoffnungen und Träume kaputt gemacht, nur weil du so verdammt oberflächlich bist!“
Wieder dieser abfällige Blick von Stardust. Anstatt Einsicht zu zeigen stieß er den Bremswaggon vor die Brust und funkelte ihn zornig an.
„Was glaubst du eigentlich, wer du hier bist, Bremswagen!“ zischte er ihn an, „Keiner redet hier so mit mir; KEINER HÖRST DU! Und schon gar nicht so ein Frischling wie du. Bist kaum ein paar Monate hier und glaubst, du könntest dich mit mir anlegen! Ich sollte dir jede Schraube einzeln aus deinem feuerroten Kopf prügeln, aber an so etwas wie dir, mach ich mir nicht die Räder schmutzig. Was ihr Frachtfiguren anstellt, geht mir fünf Meter an der Stoßstange vorbei. Wenn sich dieses Gepäckmäuschen umbringt, weil sie den Größenwahn besitzt, sich an mich ranzuschmeißen, dann ist das nicht mein Problem. Also lass mich damit in Frieden!“
Mit diesen Worten ließ er Caboose stehen und kehrte in seinen Bereich des Bahnhofs zurück. Caboose hasste ihn. Dieser Kerl würde sein selbstherrliches Leben weiterführen, als wäre nichts geschehen und nichts bereuen. Er glaubte, er war etwas Besseres, nur weil er eine Lok war. Natürlich, er hatte die Kraft sich selbständig allein auf den Gleisen zu bewegen und alle Wägen waren abhängig davon, dass er sie vorwärts brachte, aber machte ihn das auch wirklich wichtiger als sie? Stardust glaubte das jedenfalls. Viele Loks glaubten das. Sie waren die treibende Kraft eins Zuges, die anderen waren nur Anhang. Doch das sie, wie Stardust, darüber hinaus ihren Charakter verloren und sich selbst zum König der Bahn krönten, konnte man doch nicht so einfach hinnehmen. Und Caboose war fest davon überzeugt, er würde Stardust den Denkzettel verpassen, den er verdient hatte. Er würde es Cassey zuliebe tun. Es sollte nicht spurlos an diesem Mistzug vorbei gehen, dass er mit seiner Überheblichkeit das Teuerste in Caboose’s Leben in den Tod getrieben hatte. Er zog sich auf das Abstellgleis zurück und dachte darüber nach, wie er Stardust für Cassey’s Tod bezahlen lassen sollte. Wo war diese Lok verwundbar? Was war das Wichtigste im Leben dieses Schönlings? ... Aber genau das war es! Caboose hatte sich die Antwort schon mit der Frage allein beantwortet. So würde er es tun. Sobald sich die passende Gelegenheit gegeben hatte, würde seine Zeit gekommen sein. Ein breites schadenfrohes Grinsen breitete sich über Caboose’s Gesicht aus. Dieser Plan war perfekt. Stardust würde es sich in Zukunft zweimal überlegen, bevor er erneut einem Wagen erneut so das Leben zerstören würde. Caboose sah in Gedanken bereits alles ablaufen, wie er es geplant hatte und seine Augen starrten triumphierend ins Nichts.
„Hey CB,“ Wheeler setzte sich neben ihn und legte ihm besorgt die Hand auf die Schulter, „Ist alles okay bei dir?“
„Bestens,“ Caboose wandte sich grinsend um.
Wheeler schreckte ein wenig zurück. Caboose’s Grinsen erschien so erzwungen und fast wahnsinnig.
„Und schon bald wird alles noch besser!“
Er stand auf und rollte zu seinem Platz und wartete. Wartete auf den perfekten Moment für seinen perfekten Plan. Sein eigenartiges Benehmen besorgte die anderen Frachtzüge. Sie vermieden es möglichst, ihn anzusprechen, denn seine Antworten waren stets unklar, seltsam und von einem unheimlichen Blick begleitet der einem eine Gänsehaut über den Körper jagte. In dem jungen Bremswagen war eine starke Veränderung durchgegangen. Viele glaubten, dass Cassey’s Tod ihn verwirrt habe und er nur ein wenig Zeit brauchte, um den Schmerz zu verarbeiten. Nun, mit ersterem hatten sie kaum Unrecht. Caboose hatte den Verlust von Cassey tatsächlich nicht verkraftet, doch es war nicht nur das. Es war der Hass auf denjenigen, der für diesen Verlust die Schuld zu tragen hatte und nicht eine einzige winzige Träne der Trauer für sie übrig hatte. Niemand ahnte etwas von Caboose’s unheilvollen Gedanken und Plänen, die er hegte, um Vergeltung für das zu erhalten, was Cassey angetan wurde.

 Sprung  
Xobor Ein Kostenloses Forum von Xobor.de
Einfach ein Forum erstellen
Datenschutz